Hüter der Erinnerung – Film-Rezension

Hüter der Erinnerung - eine Film-Rezension

Hüter der Erinnerung – eine Film-Rezension

Erzählt wird die Geschichte eines 11/12-jährigen Jungen, der in einer dystopischen Welt aufwächst. Er wird dafür ausgewählt, der künftige Hüter der Erinnerung zu sein. Der bisherige Hüter übergibt ihm die Erinnerung, die vor der Gemeinschaft verborgen bleiben soll. Am Ende gelingt es dem Jungen, die Erinnerung der Gemeinschaft zurückzugeben.

Dieser Junge wird Jonas genannt. Er lebt bei seinen zugewiesenen Eltern, die also nicht seine leiblichen Eltern sind. Er lebt zusammen mit seiner kleinen Schwester Lily, in einer uniformierten Welt, in der es keinen Krieg gibt und keinen Streit. Menschliche Emotionen, wie Gefühle, über Sexualität und Farben, gibt es hier nicht mehr.

Die Welt erscheint den Menschen ohne Farben in Schwarzweiß. Es gibt keine Tiere. Kurz gesagt, das Leiden der Menschen wurde mit der Einführung der Gleichheit abgeschafft. Dafür, nicht mehr zu leiden, haben die Menschen die Möglichkeit aufgegeben, selbst Entscheidungen treffen zu dürfen. Alles wird durch die Ältesten bestimmt, organisiert und arrangiert. Der Hüter der Erinnerung erfüllt für die Ältesten eine beratende Funktion.

Als Jonas in das Alter kommt, eine eigene Aufgabe zu übernehmen, war es ihm noch nicht bekannt, dass er von den Ältesten für die Aufgabe des zukünftigen Hüters der Erinnerung ausgewählt wurde. Der bisherige Hüter, ein müder in die Jahre gekommener alter Mann, würde ihn ab sofort nun auf die künftige Aufgabe vorbereiten und ausbilden. Jeden Tag sollte er zu dem bisherigen Hüter gehen, der ab sofort nicht mehr als Hüter bezeichnet wurde, sondern als der Geber. Das ist der Bezug zum englischen Titel des Films: The Giver

Jonas wartet auf die Zeremonie, um zu erfahren, welche Lebensaufgabe er bekommen soll, denn alles wird von den Ältesten der Gemeinde zugewiesen, damit der Einzelne keine Fehler macht, aber für das Jungenleben, das sich bald ändern wird, ist er der Auserwählte. Er wollte seine Aufgabe gut machen, wusste jedoch nichts davon, was ihn erwartet und wie die Welt wirklich aussah. Durch den Geber wurden ihm nach und nach Erinnerungen über die Tiere, über die Freude, über die Liebe und natürlich auch über das Leiden, über den Krieg und über den Tod übergeben.

Er durfte der Gemeinschaft jedoch nichts darüber berichten, was er erfahren hatte. Denn die Gemeinschaft war glücklich so ohne Erinnerungen an die Zeit als die Menschheit von Katastrophen und Schmerzen heimgesucht wurde. Der Preis dafür war ihr Vergessen. Sie lebten in einer technisch perfekten Welt, bevölkert von Menschen, die in Harmonie lebten und die Regeln respektierten. Deshalb herrschte Frieden. Alles fließt reibungslos und ausgewogen, ohne Exzesse jeglicher Art.

Einmal wurden Zwillinge geboren. Jonas Vater wurde durch dessen Arbeit damit beauftragt, eines der Zwillinge auszuwählen, um es an seine zugewiesenen Eltern zu übergeben. Die Regel besagte, dass der andere Zwilling freigegeben werden musste. Es bekam durch Jonas Vater emotionslos eine Spritze verabreicht und wurde dadurch eingeschläfert. Das konnte er tun, weil er nicht wusste, was er tat. Es war ihm nicht möglich, sich daran zu erinnern, dass der Zwilling auch leben wollte.

Später wurde Jonas diese Begebenheit als eine Erinnerung übergeben. Dies und die übergebene Erinnerung an das Töten von Elefanten und anderen Tieren, sowie die Erinnerung an den Krieg, waren für den Jungen zu viel. Er musste ausbrechen. Dies war dem Geber aber längst bekannt. Er wusste, dass Jonas derjenige sein würde, der den Menschen die Erinnerung zurückgeben würde.

Zusammen mit einem Baby, mit dem Namen Gabriel, das bereits in dem Haus seiner zugewiesenen Eltern gelebt hatte und auch freigegeben werden sollte, floh Jonas nun, mit dem Ziel die Grenzen der Erinnerung zu erreichen. Er begab sich mit dem Baby auf dem Arm auf eine abenteuerliche Flucht, über schneebedeckte Ebenen und Berge, bis er mit letzter Kraft die Grenze erreicht. Jetzt schwappte die Welle der Erinnerung über die gesamte Gemeinschaft. Jonas Freundin, die Fiona hatte ihm auf seiner Flucht geholfen und sollten nun auch freigegeben werden. Die über die Gemeinschaft hereinbrechende Welle der Erinnerung ließ die Menschen sich an ihre Emotionen erinnern. So wurde Fiona letztlich doch nicht freigegeben.

Meine Interpretation

Dieser Film ist ein hervorragendes Beispiel für die Möglichkeit vielfacher Mehrdeutigkeit. Menschen, die sich vor der Zukunft ängstigen, können darin ihre Bestätigung finden. Ebenso können Menschen, die es befürworten, dass es die Geburtenkontrolle nebst Vollüberwachung geben muss, ihre Bestätigung finden. Es können auch die Menschen ihre Bestätigung finden, die davon ausgehen, dass der Mensch an sich schlecht ist und er deshalb hart beherrscht werden müsste. Es können auch diejenigen ihre Bestätigung finden, die meinen, dass in der Welt die Liebe fehlt.

Ja und noch viele weitere Weltbilder können in dieser Verfilmung ihre Bestätigung finden. Das genau finde ich sehr bemerkenswert. Welchem Film gelingt es so viele Weltbilder gleichzeitig einzufangen? Das ist sehr selten. Aber alle Weltbilder werden enttäuscht, außer jenes der Liebe.

Ich möchte empfehlen, die Geschichte aus deinem Weltbild herauszunehmen, um sie umzudeuten. Die Süddeutsche schreibt “Grausamer Sozialismus“ über den Film, ohne zu wissen, dass wir derzeit in einem solchen grausamen Sozialismus leben. Ja, es kann durchaus noch sozialistischer werden. Die Gemeinschaft im Film stellt die jetzige Gesellschaft dar, die im Vergessen lebt, die von scheinbar Wissenden beherrscht wird und nichts davon weiß, was wirklich geschieht. Die Gesellschaft lagert ihre Sorgen sogar aus und übergibt sie an Auserwählte Experten ab, die aber nicht wirklich helfen können. Sie können die Menschen nur anlügen, damit der Schein-Frieden nicht gestört wird.

Die morgendliche Injektion kann als ein Hinweis auf Impfungen verstanden werden. Diese müssen angeblich alle Nase lang erneuert werden. In Wirklichkeit trüben sie die Sinne der Menschen ein. Sie vergessen und verarmen in ihren Emotionen.

Das Zurückkehren der Erinnerung kann als das große Erwachen beschrieben werden. Dieses Erwachen steht der Menschheit insgesamt noch bevor. Bislang sind es nur ein paar Auserwählte, die das Erwachen erfahren haben. Doch nun sind alle dran. Der Film spielt im Jahr 2048. Das würde bedeuten, dass es nur noch wenige Jahre sind, die die Menschengemeinschaft davon trennt, zu ihrer Erinnerung zurückzufinden. Niemand weiß, wie lange es noch dauern wird und ob es jemals geschieht.

Was kannst du dafür tun, die Erinnerung bereits jetzt zu erfahren? In Wahrheit nichts, als nicht mehr an deinem Weltbild festzuhalten, völlig gleich welches das ist. Ein Weltbild ist nicht das, was du durch das Vergessen dessen was du wirklich bist, verloren hast. Mit der wiedergewonnenen Erinnerung beginnt erst das wahre Leben.

Mit anderen Worten: Niemand macht etwas falsch. Die Menschen wissen nur nicht was sie tun. Man kann niemanden für sein Unwissen verurteilen. Man kann es den Menschen nur vorleben, wie es ist, in der Wahrheit, in der Freiheit, im Recht und damit im Frieden zu sein. Trotzdem wird es die meisten Menschen immer wieder in ihre Grau in Grau gefärbte Welt zurückziehen, weil es die einzige Welt ist, die sie kennen und an die sie sich gewöhnt haben.

Es ist fraglich, ob es jemals solch eine Welle, einen Strahl von der Zentralsonne oder einen Sonnenflair geben wird, der den Menschen die Erinnerung in der Weise zurückgeben wird, wie es im Film dargestellt wurde, wenn die Menschen es nicht selbst wollen.

Filmdaten

IMDb.com, filmstarts.de,

Nächster Termin im TV auf fernsehserien.de

Hüter der Erinnerung in Deutsch und in voller Länge: Folgenden Link nur mit einer VPN-Verbindung aufrufen! https://xcine.tv/filme-huter-der-erinnerung-the-giver-2014-2919-stream

Hörbuch zum Film, gelesen von Monica Bleibtreu, Länge 4:33:40, als Youtube-Playlist.

Das Buch zum Film als Schulbuch, hier als PDF herunterladen.

Ambarishah

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Ich habe diesen Text nicht dafür geschrieben, um dir zu erzählen, was ich für die Wahrheit halte. Die eine Wahrheit gibt es nicht. Ich möchte dir nur aufzeigen, dass es neben deiner Wahrheit noch andere Betrachtungsweisen gibt. Wer sich viele unterschiedliche Betrachtungsweisen ansehen kann, ohne dabei einen inneren Groll zu verspüren, wird vermutlich jemand sein, der in seinem Frieden angekommen ist. 
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