In guten und in schlechten Tagen

In guten und in schlechten Tagen: Mein Leben - Eine Buchrezension

In guten und in schlechten Tagen: Mein Leben – Eine Buchrezension

Würde man ihr sagen, dass ihr Harald ihr Gottesersatz war, würde sie es sicher strikt verneinen. Das ist es eben, wenn man von einer Selbstlüge oder von einem Selbstbetrug spricht. Susanne Juhnke hatte keine andere Option erkannt und erkennt sie wahrscheinlich bis heute nicht, als ihren Mann anzuhimmeln. Das ist das Verhängnis.

Susanne Juhnke mit Beate Wedekind
In guten und in schlechten Tagen: Mein Leben
ISBN 3-426-27305-5

Das Buch ist eine Betrachtung, wie Susanne Juhnke ihr Leben in der Rückschau sieht. Es gibt einen Einblick in die Schickeria des alten Westberlins, vor, während und nach dem Mauerfall. Das Nachkriegs-Berlin war eine geteilte Stadt. Westberlin war eine eigene Welt. Und innerhalb Westberlins etablierte sich eine eigene Oberschicht. Diese wurde bestimmt durch das Massenmedium Fernsehen, durch die Klatschpresse und durch das Vermeidungsverhalten der Menschen.

Beim Fernsehen und an den Schauspielbühnen und Theatern im alten Westberlin waren sehr gern Menschen gesehen, die den Nachkriegs-Alltag vergessen lassen. Dafür hat das Publikum gerne bezahlt. Insofern war es nur zu verständlich, aber dennoch ist es als eine riesige Illusion zu verstehen, dass Harald Juhnke sich als ein Star betrachten musste.

Harald Juhnke war heillos überfordert. Heillos meint, er hatte keinen anderen Weg gesehen, als dass er in dieser verrückten Welt, in der dieser wahnsinnige Krieg stattfinden konnte, Schauspieler werden wollte. Er wollte die Menschen zum Lachen, zum Weinen und zum Staunen bringen. Was er durchaus geschafft hatte. Aber immer waren da die Zweifel, dass er es doch nicht schaffen könnte.

Susanne Juhnke erzählt sich mit ihrem Buch selbst eine Geschichte. So hat es sich sicher nicht zugetragen. Aber sie glaubt, dass es objektiv geschrieben ist. Das kann ein Buch gar nicht sein. Es kann nur das wiedergeben, wie man selbst die Geschichte sehen möchte. Deshalb muss man es lernen, beim Lesen von Büchern nicht nur den Text zu lesen, sondern es zu erspüren, was die Autorin mit den Zeilen sagen möchte. Wenn man diese Absicht erkennt, kann man auch erkennen, was die Autorin nicht sagen wollte, bzw. was sie verschweigen wollte.

Ich möchte ihr mit dieser Rezension keine Schuld für irgendetwas geben. Diese Schuld gibt es im Leben nicht. Man kann sich selbst und den anderen Menschen immer nur vergeben. Man hatte das Beste tun wollen und hatte es nur immer nicht besser gewusst.

Die meisten Menschen glauben, dass ihr Leben vorbei sei, wenn die/der Partner/in sie verlässt. Wer das glaubt, mag sich diese Realität genauso erschaffen. Wer nicht daran glaubt, weiß, dass das Leben weiter geht. Insofern können wir in dem Titel des Buches bereits die erste Selbstlüge erkennen. Diese Geschichte ist ein Teil ihres Lebens, aber nicht ihr Leben.

Der Gottesersatz

Wie ist es möglich, dass ein Mensch einen anderen Menschen als Gottesersatz betrachten kann? Dies ist nur in einer gottlosen Welt möglich. Susanne hatte sich im Buch oft als “Mutter-Sorge“ beschrieben. Sie habe sich um das Drumherum kümmern müssen. Ihr Mann hatte dafür gesorgt, dass sie als Familie finanziell ein gutes Leben führen konnten. Dabei hatte sie jedoch nicht seine Überforderung erkannt.

Ab und an hatte sie im Buch beschrieben, dass sie das Gefühl hatte, dass ihr Harald auch ihr nur etwas vorgespielt hatte. Das bedeutet, sie hatte nicht sein wahres Wesen erkannt. Dieses war hinter seinen schauspielerischen Rollen verborgen und wurde durch die Rollen unterdrückt. Irgendetwas, das wahrscheinlich selbst Harald Juhnke verborgen blieb, ließ ihn nicht hinter seine eigenen Kulissen schauen. Er muss sogar Angst vor sich selbst gehabt haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass er seine Rollen mit Leidenschaft gelebt hatte, die er auf den Bühnen spielte. “Man kann das Privatleben von dem Leben des Schauspielers nicht trennen.“ Waren seine Worte bei seinem letzten Interview vor seiner Demenz.

Dieses Bild erzeugt einen Schein von Perfektion, dem eine Frau nicht selten nur erliegen kann. Es war ihr nicht möglich, sich dieser Erscheinung zu entziehen. Da Frau Juhnke nun nicht ihren Halt in sich selbst, in einem Glauben oder in Gott gefunden hat, klammerte sie sich an diesen Schein. Ohne zu wissen, dass dieser Schein irgendwann nicht mehr scheinen kann, war sie erschüttert über den Verfall der Erscheinung ihres Mannes. Susanne hatte sogar auf ihre eigene Karriere verzichtet, also zugunsten ihres Mannes auf ihr eigenes Leben verzichtet.

Hinzu kommt, dass Harald seine schöne Susanne nicht verlieren wollte und ihr jeden Wunsch erfüllen wollte. Was zusätzlich zu seiner Überforderung beigetragen haben muss. Später hatte ihr Sohn Oliver die Künstlervertretung gemanagt. Was noch ein weiterer Antrieb war für “Ich muss gut sein! Ich muss der Beste sein! und Ich darf nicht versagen!“ Er spielte allen etwas von. Natürlich auch sich selbst. Die Illusion war auf allen Seiten so groß, dass die Beteiligten nicht erkennen konnten, was wirklich geschieht.

Nicht in dieselbe Richtung schauen

Mir kam beim Lesen des Buches das Bild eines Mannes, der wohl gekleidet in den Himmel blickte und zu seinen Füßen lag seine Frau, die sich an seinem linken Bein festklammerte. Diese Umklammerung ließ ihn am Boden kleben und nicht davon schweben.

Nun soll ein Schauspieler ja nicht davon schweben. Aber beim Blick in den Himmel kann der Mensch schon mal vergessen haben, dass er ein Mensch ist und kein Gott. Indem die Frau ihm alles abnimmt, was des Menschen Aufgaben sind, entzieht sie ihm die Grundlage des Mensch-seins. Auch ein großer Schauspieler muss den Müll raus bringen, die Betten beziehen und das Klo putzen.

Susanne hatte es verpasst, ihm seine Selbstzweifel zu nehmen, indem sie ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Das konnte sie nicht tun, weil sie selbst in einer Illusion aus einem schönen Schein gefangen war. Oft erzählte sie in ihrem Buch davon, wie gern sie sich ein neues Kleid von Chanel überstreifen konnte und wie gern sie in Paris flanierte. Es gelang ihr nicht, mit ihrem Mann zusammen in eine Richtung zu blicken. Sie hatte zu seinen Gunsten auf ihre Karriere verzichtet und lag ihm zu Füßen, statt mit ihm auf einer Augenhöhe zu sein und an einem Strang zu ziehen.

Die Schickeria Berlins

Die Schönen und Reichen findet man in der Klatschpresse. Dort zerreißen sie sich die Mäuler über jeden Prominenten. Untereinander sind sie sich Spinnefeind, aber Aug in Aug spielen sie sich gegenseitig vor, dass sie sich lieben und mögen. Man könnte es mit einem Wort ausdrücken. Sie sind höflich zueinander.

Höflich meint, wie bei Hofe. Bei Hofe bewahrt man die Etikette, also den schönen Schein. Man kann gar nicht anders, weil alle Augen auf einen gerichtet zu sein scheinen. Dann spielt man den Betrachtern vor, was man glaubt, was diese sehen wollen.

Im alten Westberlin vermischte sich die Politik, mit der Schickeria des Showbiz und mit dem neuen Geldadel. Man glaubte, wer die Hotelrechnung bezahlen könne, gehöre zu den Gewinnern. Wie sehr sich diese Menschen selbst belogen und betrogen haben, wird zumeist erst dann ersichtlich, nachdem das Kartenhaus des schönen Scheins in sich zusammengefallen ist.

Heute droht Eberhard Diepgen (Regierender Bürgermeister 1984-1989 und 1991-2001), mit dem die Familie Juhnke gut befreundet war und ist, sogar mit dem Austritt aus der CDU, wenn die Partei nicht einen anderen Kurs einschlägt. So ist das, wenn die Schickeria die Welt nicht mehr versteht. So täuscht sich die Elite selbst. Sie kann ihren schönen Schein nicht bewahren. Dabei darf man nicht übersehen, dass die Anderen keine Verantwortung für die eigene Täuschung tragen. Die Täuschung hat man immer selbst gemacht.

Der Teufel Alkohol

Die meisten Menschen brauchen immer einen Schuldigen für das eigene Versagen. Eigentlich ist es nicht das Versagen, sondern vielmehr das eigene Unwissen, das man sich selbst nicht eingestehen kann. Wenn man es besser gewusst hätte, dann hätte man es besser machen können.

Alkohol ist ein Betäubungsmittel, also ein legales Gift mit dem man seine Sinne betäuben kann. Dafür kann der Alkohol nicht, sondern nur derjenige, der sich betäubt. Es gibt also nicht den “Teufel“ Alkohol, sondern den Alkohol. Das ist schon dramatisch genug. Man muss ihn gar nicht verteufeln. Er ist deshalb nicht weg. Er ist erst dann weg, wenn derjenige, der sich betäubt, versteht, weshalb er das macht. Oder besser, weshalb er nicht anders zu können scheint, als sich zu betäuben.

In Harald Juhnkes Fall scheint es die Überforderung gewesen zu sein. Es kommt aber noch etwas ins Blickfeld, wenn man hinsehen möchte und wenn man es sehen möchte. Dieses nicht sehen zu wollen ist auch sehr verbreitet. Es ist das Wissen um die eigene Belanglosigkeit, was manche als ein Nichts empfinden. Ohne meinen Beruf bin ich ein Nichts. Ohne mein Ansehen, bin ich ein Nichts. Ohne mein dies oder jenes … Dieses Nichts ist aber kein Nichts.

Man könnte meinen, dass das Leben keinen Sinn machen würde. Man könne ihm aber einen Sinn geben, indem man sich selbst und anderen Rollen vorspielt. Wer nun dieses scheinbare Nichts nicht ertragen kann und auch Gott oder die Quelle allen Seins nicht in sich gefunden hat, kann leicht zu der Interpretation kommen, dass er ohne seine Illusionen nicht leben kann.

Dies wiederum ist bei einem Menschen, wie Harald Juhnke, der ohnehin schon überfordert zu sein schien, ein gefundenes Fressen für die Selbstzerstörung mithilfe des Alkohols. Der Sinn des Lebens entsteht durch die Erschaffung seiner eigenen Geschichte, seiner Story, bzw. seiner eigenen Täuschung. Dies wird dann so real, dass man es selbst zu glauben scheint, dass diese Geschichte wirklich existiert. Trotzdem weiß man im innersten, dass sie nicht existiert und dass es nur der Schein ist.

Das große Idol (Trugbild) von Harald Juhnke war Frank Sinatra. Nicht umsonst wurde Harald Juhnke als der Deutsche Frank Sinatra gehandelt. Der letzte Absturz von Harald Juhnke soll sich im Zusammenhang mit Melancholie (Selbstmitleid) beim Hören von Dean-Martin-Songs in einer Bar ereignet haben. Das ist ein ganz deutlicher Hinweis darauf, dass er sehr an sich zweifelte, ja wenn nicht sogar verzweifelte. Er muss sich nie als gut genug betrachtet haben. Was letztlich ein Selbstläufer hin zur Selbstzerstörung wird. Er konnte nichts dagegen tun und Susanne konnte ihm bei seinem Verhängnis nicht helfen.

Nach seinem letzten Absturz war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Er war nur noch seine Illusion. Dies drückte sich darin aus, dass er auch im Pflegeheim immer arbeiten, also Theater spielen und Filme drehen wollte. Das ist der Schatten in ihm. Alles andere war zerstört. Daran kann man erkennen, welchen Sinn das Leben in der Illusion des eigenen Schattens haben mag.

Der Ausweg

Diese Geschichte kann man nicht mehr verändern. Sie ist geschehen. Man kann nur daraus lernen. Wenn ich einem Menschen, wie der Susanne Juhnke einen Tipp geben könnte, würde ich ihr empfehlen, die Geschichte abzuschließen. Man kann nicht zurückholen, was zur Vergangenheit gehört.

Dein Leben ist jetzt, nicht in den vergangenen Dingen und auch nicht in der Zukunft, sondern immer nur jetzt. Wenn ich an mein vergangenes Leben denke, fällt mir so einiges ein, was ich aus heutiger Betrachtung hätte anders machen können. Das kann aber nicht gelingen. Also lohnt es überhaupt nicht, an der Vergangenheit zu klammern. Ich kann nur sagen: Tja, wieder etwas, was ich nicht besser wusste. Ich vergebe dir auch dafür.

Finde Gott in dir. Finde die Quelle deiner Existenz in dir. Was du bist ist das Ergebnis deiner Schöpfung. Du allein bist mit den Dingen, die dir im Leben begegnet waren, in Interaktion gegangen und hast deine Antwort auf diese Dinge formuliert, also in Form gebracht. Du kannst niemanden dafür verantwortlich machen, auch dich selbst. Deshalb bleibt nur die Vergebung.

Die Vergebung ist der einzige Weg, wenn man meint, dass es einen Weg gibt, den es sich lohnt zu gehen. Aber Vergebung muss man lernen. Es genügt nicht einfach zu sagen “Ich vergebe dir!“ Es braucht auch das innere Gewahrsein, dass es so ist. Es braucht also die Handlung der Vergebung durch das ganze Wesen des eigenen Seins.

Wenn jemand meint, dass er nicht vergeben kann, schon gar nicht dem Verflossenen oder gar sich selbst, dann ist dieser Mensch in sich selbst blockiert. Er steht sich selbst im Weg. Man kann sich nicht selbst aus seinem Weg räumen. Da würde man nur auf den Suizid kommen. Und Susanne Juhnke hatte selbst im Buch oft über Depressionen geschrieben. Diese sind eine Vorstufe des Suizids.

Es gilt also zu erkennen, dann man die Orientierung verloren hat, vielleicht noch nie in sich selbst gefunden hat, wenn man sich nicht selbst helfen kann. Man braucht dann Hilfe von außen, die es vollbringen kann, die Orientierung zurückzubringen. Zum Glück gibt es zahllose Psychotherapeuten und Psychologen. Dabei entsteht die Frage, ob der Therapeut des Vertrauens die oben beschriebenen Aspekte aus der Betrachtung des Buches von Susanne Juhnke herauslesen mag und dir diese Aspekte anhand deines Lebens bewusst machen kann oder ob er sich nicht anders zu helfen weiß und deshalb zur Verschreibung von Medikamenten neigt.

Man darf an dieser Geschichte erkennen, dass man nichts richtig machen kann. Man kann nur scheitern, an dem scheinbar schönen Leben. Wenn man nichts richtig machen kann, dann kann man auch nichts falsch machen. Warum verzweifeln so viele Menschen dann daran, was sie getan haben? Es gibt daran nichts Falsches. Es gibt nur das begrenzte Denken, in dem die Menschen immer glauben, sie seien die Größten, die Schönsten und die Besten. Größer kann der Selbstbetrug nicht sein.

Der schöne Schein kann zerfallen, aber nicht das, was du wirklich bist. In Wahrheit bist du nicht verloren. Du bist nicht getrennt von der Einheit Gottes, bzw. von der Quelle in dir. Was dich getrennt hat, war der Schein, den du gelebt hattest und den du vielleicht noch lebst. Dein Drama löst sich auf, wenn du erkennst, dass du nicht die Einheit mit der Quelle in dir, sondern die Trennung in dem Schein von Sein gelebt hattest, damit du jetzt damit aufhören kannst.

Ambarishah

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Ich habe diesen Text nicht dafür geschrieben, um dir zu erzählen, was ich für die Wahrheit halte. Die eine Wahrheit gibt es nicht. Ich möchte dir nur aufzeigen, dass es neben deiner Wahrheit noch andere Betrachtungsweisen gibt. Wer sich viele unterschiedliche Betrachtungsweisen ansehen kann, ohne dabei einen inneren Groll zu verspüren, wird vermutlich jemand sein, der in seinem Frieden angekommen ist. 
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