Urängste bestimmen Leidenschaften

Urängste bestimmen Leidenschaften

Leidenschaft ist ein Gefühl, das den Menschen heftig, ungestüm, scheinbar unaufhaltbar und ungezügelt erfassen kann. Das bedeutet, die Fähigkeit zur Vernunft kann in einer Phase, die von Leidenschaft geprägt ist, ausgehebelt sein. In unseren Leidenschaften äußern sich unsere Begierden, Zuneigungen, eben unsere Hinwendung bzw. Liebe zu etwas.

Da wir während des Auslebens von Leidenschaften oftmals vernünftiges Verhalten ausblenden, verbergen sich hier auch die großen Gefahren, bzw. das Labyrinth des Lebens. Insofern können uns unsere Leidenschaften dabei helfen, ein Selbst zu verwirklichen, andererseits bewegen wir uns mit dem Ausleben von Leidenschaften immer weiter von der Quelle allen Seins weg. Diese Quelle ist der Frieden, das Aufhören allen Verlangens und der bedingungslose Fluss des Seins.

Deshalb sprechen viele Menschen davon, dass Leidenschaften erst ins Leiden führen würden. Die Eifersucht ist solch eine Leidenschaft und stellt hierbei ein gutes Beispiel dar. „Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.“ Epigramme. Wer es einmal miterleben musste, dass sich der Partner oder die Partnerin lieber mit einem anderen Menschen abgibt, kann leicht in das Gefühl von Eifersucht geraten. Dabei ist dieses Erleben nicht nur in der tatsächlichen Beobachtung von Fremdgehen möglich. Nein, allein die Vorstellung genügt, dass es passieren könnte. Schon steckt man ganz tief drin in einem Sucht-Programm. Dieses Verhalten begründet sich also eigentlich auf eine unbegründete Angst. Und das bedeutet: Erst weil es Ängste gibt, gibt es auch Leidenschaften, die darauf warten ausgelebt zu werden.

Es beginnt vor der Geburt

So kann bereits vor der Geburt die Angst vor der Selbstwerdung vorhanden sein. Wenn sich ein Selbst bildet, können auch Ängste da sein, die uns vor den Konsequenzen der Selbstwerdung bewahren wollen. Die Folge aus solchen Urängsten kann das Gefühl des Getrieben seins sein. Diese und andere Urängste können wir nur dadurch überwinden, indem wir sie an uns selbst erkennen. Niemand wird dir sagen können, welche Ängste dich bestimmen, führen und leiten, außer du selbst. Deshalb gibt es auch keine einzige Methode, die dich von deinen Ängsten und damit von deinen Leidenschaften befreien kann. Außer man wird selbst Zeuge dessen, dass die verantwortliche Angst unbegründet ist.

Wenn ich eine Phobie habe, beispielsweise vor Mäusen. Dann kann ich eine Leidenschaft dafür entwickeln, die Mäuse im Haus zu bekämpfen. Dies kann in einen Endloskampf führen, der zur Selbstvernichtung führen kann oder man zerstört das ganze Haus. Vernünftig wäre es, den Nagern nicht mit einer Leidenschaft zu begegnen, sondern mit der Frage: „Warum sind die Mäuse überhaupt hier?“ Es muss einen Grund geben, weshalb sich die Schädlinge ausgerechnet dieses Haus ausgewählt haben. Sobald diese Gründe abgestellt sind, wird auch die Leidenschaft überflüssig. Aber der Mensch, der sich in der Leidenschaft nach der Mausejagt wiederfindet, kann es nicht erkennen, dass er eigentlich gegen sich selbst in den Krieg zieht.

Ein Polizist kann für Sicherheit sorgen oder auf der Menschen-Jagd sein

So verhält es sich auch mit anderen Leidenschaften. Wie etwa einer möglichen Leidenschaft eines Streifenpolizisten, Gesetzesbrecher dingfest zu machen. Es kann durchaus sein, dass der Polizist es vergessen hat, auf seine Vernunft zu hören und nur diejenigen Verbrecher zu stellen, die wirklich etwas verbrochen haben.

Es kann durchaus sein, dass er eine Leidenschaft dafür entwickelt hat, Menschen zu jagen. Also die ihn zu einer Jagd auf Verbrecher stimuliert. Er kann dann wahrscheinlich leicht in jedem Menschen, der ihm begegnet ein zu erlegendes Jagd-Opfer sehen. Die Vernunft ist ausgehebelt und der Polizist erkennt es an sich selbst nicht, dass er unvernünftig handelt.

Durch Belohnung zur Unvernunft

Ein Faktor, der den Menschen zur Unvernunft verführt, kann der Anreiz sein, der mit der Belohnung durch Geldzahlungen erreicht werden kann. Das unvernünftige Verhalten wird positiv besetzt und als erstrebenswert betrachtet. So kann ein Verkäufer leicht der Leidenschaft verfallen, den Menschen jeden erdenklichen Plunder verkaufen zu wollen, weil der Anreiz des Gelderwerbs ihn dazu antreibt.

Leidenschaft kann also ins Leiden führen. Leidenschaft kann aber auch durch großen Enthusiasmus zu Freude, Engagement und Erfolg führen. Freude und Erfolg durch Leidenschaften können jedoch nur dadurch positiv empfunden werden, wenn die Konsequenzen aus dem unvernünftigen Verhalten nicht betrachtet wurden, sondern vielleicht nur der eigene Vorteil, was vom Selbst bzw. vom Ego bestimmt wurde.

Deshalb spricht man in vielen Religionen und in spirituellen Kreisen davon, dass man die Leidenschaften überwinden müsse. Das hört sich dann oftmals so an, als würde man sich einem Zölibat unterziehen müssen, oder man müsse den schönen Dingen des Lebens entsagen. So ist das sicher nicht gemeint.

Urängste bestimmen Leidenschaften

Eine Leidenschaft kann kaum durch Verbote, Verzicht oder Entsagung verschwinden. Sie würde dann oft heimlich ausgelebt werden. Das können wir gut an den aktuellen Kindesmissbrauchs-Skandalen erkennen. Die Leidenschaft muss bei ihren Ursachen erkannt werden. Zumeist sind es unsere Urängste, die unsere Leidenschaften bestimmen. Diese sind:

  • Die Angst vor der Selbstwerdung = Verschleierung, Vergessen
  • Die Angst vor der Selbsthingabe, Selbstlosigkeit = Ich-Verlust
  • Die Angst vor der Wandlung, Veränderung = Vergänglichkeit
  • Die Angst vor der Notwendigkeit = Unfreiheit, Endgültigkeit

Es ist dabei unerheblich, ob es sich um die Leidenschaft für eine gute Sache oder um sinnliche Leidenschaften handelt, ob es sich um die Leidenschaften für Yoga und Meditation oder für eine bessere Welt handelt. Dahinter stecken immer dieselben Prinzipien, die die Leidenschaften antreiben. Es sind die Ängste vor der Selbstwerdung, vor der Selbstlosigkeit und Bedeutungslosigkeit, vor der Vergänglichkeit und nicht zuletzt vor der Endgültigkeit und Nichtexistenz, die alles antreiben, was wir sind.

So ist das leidenschaftliche Ausleben nicht nur von Sexualität, sondern auch von Spiritualität, Religion und Aberglauben genauso zu betrachten, wie die Leidenschaft eines Jägers, der ein Reh, ein Wildschwein oder einen Hasen erlegen möchte. Er scheint solange nicht zufrieden zu sein, bis er ein Tier erlegt hat. Dies ist jedoch kein wirklicher Frieden. Es ist nur die Befriedigung von Verlangen und Begierden. Was schließlich in eine Selbstverbrennung führt. Mann verbrennt im eigenen Tun.

Sich für eine Sache einzusetzen, die nicht die eigene Sache ist, wie es jeder Politiker vorzugeben scheint, oder der leidenschaftliche Kämpfer für Gerechtigkeit, nach dem Muster einer Jeanne d’Arc (Johanna von Orléans), die nicht den Frieden ertragen konnte und deshalb bis zu ihrem eigenen Untergang weiterkämpfen musste. Oder der Sportler (Marathon, Kraftsport, Fussball, Schwimmen, Rudersport … ), der nicht aufhören kann, sich in den eigenen Zusammenbruch zu führen. All diese Leidenschaften sind angetrieben durch Ängste, die man zumeist kaum als Ängste wahrnimmt. Die meisten Menschen behaupten: “So bin ich eben. Ich kann da nicht raus.” Oder so ähnlich. Solange nicht erkannt wird, dass Ängste nicht bekämpft werden können, kämpfen Menschen gegen ihre Ängste und dadurch gegen sich selbst.

Ängste können nicht bekämpft werden

Wenn wir bestimmte Ängste haben, fühlen wir uns gedrängt etwas gegen die Ängste zu tun. Wir wollen dem, was die Ängste beinhalten ausweichen, davor weglaufen und oder dagegen kämpfen. Das genaue Gegenteil wäre jedoch erforderlich. So erleben wir uns als die erschaffene schauspielerische Figur, die Yoga macht, die die Welt rettet, die Verkaufs- oder Jagd-Erfolge erzielt. Wir bemerken es jedoch nicht, dass wir uns selbst etwas vorspielen, in der Annahme, dass wir dadurch die Urängste nicht mehr haben würden.

So kann die körperliche Liebe und die damit verbundenen Leidenschaften davon getrieben sein, dass wir unbewusst schon um den Ich-Verlust und um die Endgültigkeit am Lebensende wissen und aufgrund dieser Ängste uns eine schein-heile Welt erschaffen, die anscheinend von Liebe erfüllt ist, damit wir die Urängste vergessen. Wenn wir aber diese Urängste erkennen und dadurch überwinden, kann auch die Liebe ohne Leiden auf eine ungeahnte Dimension angehoben werden. Dann können wir von der wahren Hingabe oder von der wahren bedingungslosen Liebe sprechen. Wir sind es immer selbst, die das Glas Wasser als halb voll oder halb leer betrachten.

Man kann seine Leidenschaften und deren Ursachen, also seine Ängste nicht bekämpfen. Man kann sie nur erkennen, dass sie da sind, um sich dessen Richtigkeit gewahr zu sein. Die Wertschätzung sich selbst geben zu können, dass alles richtig ist, dass nichts fehlt, nie etwas gefehlt hat und nie etwas fehlen wird, führt dazu, dass sich sehr wertvolle menschliche Gefühle und Bestrebungen einstellen, die eigentlich jeder Mensch an sich selbst wertschätzen möchte.

Die politisch gewollte Angst

Viele Menschen laufen immer schneller zur Arbeit, zum Zweitjob und zu ihren Besorgungen, in der Angst als nicht gut genug betrachtet zu werden, wenn sie den Anforderungen nicht zu genügen scheinen. Eine Ursache für diese Ängste sind durchaus politisch gewollt. Man wird den Menschen niemals offiziel erklären, dass sie keine Angst haben müssen. Denn Menschen ohne Angst lassen sich nicht gut kontrollieren. Sie sind unberechenbar und lassen sich kaum mehr beherrschen. Das kann in einem pyramidablen Herrschaftssystem nicht gewollt sein. Ein wichtiger Faktor besteht darin, dass man die Ursachen für die eigenen Ängste erkennen muss. Ängste sind wie Programme, ja wie Computerprogramme zu betrachten. Solange ein Programm installiert ist, läuft es auch. Es wird in dem Moment deinstalliert, wenn es erkannt wird und wenn der Mensch für sich beschließt, das Programm nicht mehr zu brauchen, also nicht mehr zu gebrauchen.

Solche Programme sind in der Trennung der Menschen von sich selbst und von ihren wahren Wurzeln zu finden. Ein solches Programm möchte ich hier erwähnen. Die Trennung der christlichen Religion in die Westkirche und in die Ostkirche (Orthodoxie). Man könnte ganz oberflächlich betrachtet sagen, die Westkirche folgt einem Todeskult, durch die Huldigung der Kreuzigung und die Ostkirche folgt der Geburt durch die Huldigung der Jesu-Mutter, als die Schöpferkraft, die Leben in die Welt bringen kann. Das ist natürlich eine völlig unzureichende Erklärung, aber beide Kirchen halten die Menschen gefangen, indem die einen und die anderen behaupten dem richtigen Glauben zu folgen und umgekehrt dem Falschen. Indem man diese Umstände als gegeben anerkennt und es in den eigenen Ahnenreihen klärt, erschafft man sich den Freiraum, von den damit verbundenen Ängsten loszukommen, die tief als Wahrheit in der DNA der Menschen abgespeichert zu sein scheinen.

Das Gegenüber von Angst ist Weite

Viele Menschen glauben, das Gegenteil oder das Gegenüber von Angst sei Mut. Nein! Mut ist ein Ausdruck, der die Angst bekämpfen oder unterdrücken möchte. Das Prinzip der Angst die Enge, also die eingeschränkte Sichtweise. Sie kann so weit eingegrenzt sein, bis nur noch Ängste da zu sein scheinen. Mit Mut können die Ängste nicht bewältigt werden, sondern mit Weite. Denn das Gegenüber der Enge ist die Weite. Also ist die Bewusstseinserweiterung, der erweiterte Horizont bzw. das Erkennen dafür, dass Ängste unbegründet sind. Dies stellt die einzig richtige Methode dar – wenn man dabei überhaupt von einer Methode sprechen kann – die als probates Mittel bei überschwänglichen Leidenschaften und den ursächlichen Ängsten helfen kann.

Liebe dich selbst so wie du bist

Jeder Mensch möchte geliebt und gesehen werden, anerkannt und wertgeschätzt sein. Das geschieht einfach, wenn man mit sich selbst beginnt und den Menschen dadurch unbewusst über die eigene Resonanz mitteilen kann, keine Ängste zu haben und dadurch auch keine Leidenschaften mehr hat, denen man zum Opfer gefallen wäre oder die anderen Menschen zur Gefahr werden können.

Manche Menschen berichten dann auch davon, dass sogar wilde Tiere vor ihnen keine Scheu mehr haben. Sie kommen den angst- und leidenschaftslosen Menschen gern näher. Sie scheinen es wohl zu spüren, dass hier keine Gefahr droht. Dies ist der Frieden, der wohl auch in Jesus von Nazareth, in Buddha und in ungezählten weiteren Menschen gegenwärtig gewesen sein muss.

Komm in deinen Frieden!


Diesen Beitrag habe ich bei der monatlich in Berlin erscheinenden Zeitschrift KGS-Berlin für die April-Ausgabe eingereicht. Das Thema dieser Ausgabe sollen die Leidenschaften sein. Unterschiedliche Autoren können ihre Sicht auf das Thema einreichen. Selbstverständlich wurde der Beitrag abgelehnt. Ich habe wahrscheinlich zu deutlich von dem geschrieben, was wirklich ist. “Das möchte der Leser nicht in der Zeitschrift vorfinden.” könnte die Begründung sein. Tatsächlich wurde behauptet, dass man zu viele Änderungen am Text vornehmen müsste, um ihn überhaupt veröffentlichen zu können. Das geschieht weniger, weil man Angst davor hat, dass die Menschen aufwachen würden, sondern vielmehr aus Angst Kunden zu verschrecken und sie so zu verlieren. Deshalb erscheint der Beitrag nun hier. Dieser Vorfall zeigt einmal mehr, dass auch die Alternativ-Medien nur das beschreiben können, was ihren Interessen dient. Von Wahrheit oder von dem was wirklich ist kann man da nicht sprechen.

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